Junkers-Verlagerungsbetrieb in der Heimkehle (Thyra-Werk)

Neuer Höhlenzugang zur Heimkehle
Neuer Zugnag Zugang zur Heimkehle

Heimkehle: Junkers geht unter die Erde

Das Junkers-Verlagerungsprojekt Thyra-Werke

Am 1. Februar 1944 wies das Reichsluftfahrtministerium (RLM) den Junkers-Flugzeugwerken einen weiteren Verlagerungsstandort im „Mittelraum“ zu, die Heimkehle, eine Naturhöhle in der Nähe der Ortschaft Rottleberode. Gleichzeitig erging an Junkers die Aufforderung, binnen 14 Tagen, spätestens also am 15. Februar 1944, dem von Luftwaffenchef Hermann Göring eingerichteten Sonderstab die erforderlichen Bau- und Planungsunterlagen vorzulegen. Eine vom Sonderstab am 12. März 1944 angefertigte Zusammenstellung vor Bombenangriffen geschützter Räume, die mit Unterstützung der SS und damit durch Konzentrationslagerhäftlinge ausgebaut werden sollten, nennt die Heimkehle als Verlagerungsprojekt A 5 mit einer Nutzfläche von 3.000 qm. Am 24. März 1944 erteilte das RLM den Verlegungsvorbescheid für die Errichtung eines Presswerkes. „Die Firma Junkers wird [. . . ] beauftragt, oben angegebene Fertigung aus den bisherigen Fertigungsräumen zu verlegen. Über das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion [. . . ] wurde hierfür als Aufnahmebetrieb die Höhle Heimkehle bei Uftrungen im Südharz [. . . ] befristet gesperrt“.

KZ-Häftlinge vor der Heimkehle
KZ-Häftlinge vor der Heimkehle

Umbau der Heimkehle zur Rüstungsschmiede

Die Bauarbeiten begannen bereits Tage vorher unter Einsatz von 200 Häftlingen, die am 13. März 1944 aus Buchenwald abgeordnet worden waren. Anfang April und im Mai 1944 ergänzten zwei weitere Transporte mit zusammen 350 Personen den Bautrupp. Bis zu 600 Häftlinge führten in der Heimkehle in den folgenden Wochen bergbauliche Arbeiten aus. Sie mussten die Höhlenseen im „Kleinen“ und „Großen Dom“ zuschütten und planieren, hatten Betonstützwände und Pfeiler zum Abfangen der Decken zu errichten und weitere Zugangsstollen vorzutreiben. Dadurch wurde der Charakter der seit 1920 für den Tourismus erschlossenen Schauhöhle zerstört. Ein internes Schreiben der Junkers-Bauabteilung an die Rechtsabteilung des Konzerns vom 3. Mai 1944 hält fest, dass die Arbeiten zu diesem Zeitpunkt noch voll im Gange waren.

KZ-Außenkommando Heimkehle bzw. Thyra-Werk

Wie erschöpfend die Arbeit und ihre Bedingungen auf der Baustelle waren, zeigt sich daran, dass immer wieder Häftlinge wegen völliger Entkräftung ins Stammlager zurückverlegt wurden, am 30. Juni 1944 zum Beispiel zehn als „arbeitsunfähig“. Für die Unterbringung der KZ-Arbeiter war die Porzellanfabrik Max Schuck am Ortsrand von Rottleberode beschlagnahmt worden. Im Erdgeschoss befanden sich Küche, Wasch- und Abstellräume, in den beiden Obergeschossen die Häftlingsunterkünfte. „Es ist ein großer, mehrstöckiger Steinbau in dem früher einmal eine Fabrik betrieben wurde“, erinnert sich ein ehemaliger Aufseher, der Luftwaffensoldat Willy Mirbach.

„Mit der Rückseite grenzt das Gebäude, durch einen Hof getrennt, an eine steile Felswand von etwa fünfzehn bis zwanzig Meter Höhe, und oben auf der Felswand steht ein Wachturm von etwa zehn Meter Höhe, ringsum mit Glas geschlossen und einem Scheinwerfer eingebaut. Außerdem stehen an den vier Ecken des Lagers noch Wachtürme, die jedoch nur einige Meter hoch und ringsum offen sind. Auch dieses Lager ist mit einem elektrischen Zaun (. . . ) gesichert. (. . . ) An der linken Kopfseite des Lagerzauns befindet sich das Eingangstor, stark mit Stacheldraht gesichert und einem Posten mit Gewehr davor“. Die Schreibstube hatte die SS im requirierten Wohnhaus der Familie Schuck untergebracht.

Zwischen dem 3. und 7. August 1944 inspizierte der Luftwaffen-Oberstabsarzt Dr. Ehrlich die KZ-Außenkommandos A 4 (Steinsalzbergwerk Hadmersleben bei Oschersleben), A 5 (Rottleberode) und A 6 (Wansleben). In seinem Bericht vom 9. August 1944 an das KZ Buchenwald stellt er zum Lager Rottleberode lobend fest, der Krankenbau sei in einem hellen Fabrikraum der Porzellanfabrik untergebracht, alle vorgeschriebenen Abteilungen seien vom Häftlingsarzt eingerichtet worden. Der Luftwaffenarzt forderte den Lagerführer des Außenkommandos gleichwohl auf, die Ambulanz durch eine Bretterwand von den sonstigen Räumen abtrennen zu lassen. Am 2. Oktober 1944 besichtigte der Standortarzt des KZ Buchenwald das Außenkommando Rottleberode und bestätigte die Feststellungen des Kollegen der Luftwaffe. Er wies darauf hin, dass aus Geheimhaltungsgründen Kranke auch in dringenden Fällen nicht mehr nach Dora ins Revier transportiert werden dürften.

Produktionsaufnahme in der Heimkehle im Juli 1944

Ende Juli 1944 waren die Werkhallen in der Heimkehle errichtet, und der Einbau der Produktionsanlagen konnte beginnen. Die Kosten für Ausbau und Einrichtung der Fabrik im Berg beliefen sich auf über 2,6 Millionen RM, die das Reich trug. Allein für die Unterhaltung des KZ-Lagers in Rottleberode forderte Junkers von der Staatskasse 16.640,30 RM. Weiterhin stellte der Flugzeughersteller die an die SS gezahlten „Nutzungsentgelte“ für die beschäftigten Bau-Häftlinge mit 177.600 RM in Rechnung. Für Häftlingstransporte vom Lager zur Baustelle machte die Reichsbahn bei Junkers 13.674 RM geltend, die der Konzern sich ebenfalls erstatten ließ. Insgesamt waren es „Aufwendungen“ von 207.940,30 RM für die beim Ausbau der Heimkehle eingesetzten KZ-Arbeiter, die voll in die Gesamtbaukosten einflossen.

Junkers-Werkzeugmaschinen in der Heimkehle
Junkers-Werkzeugmaschinen in der Heimkehle

Nach Beendigung der Arbeiten und Inbetriebnahme des Junkers-Werkes schob die SS die ausgepowerten Häftlinge des Baukommandos Heimkehle (A 5) auf andere Baustellen im „Mittelraum“ ab, so am 24. Juli 1944 einhundert zum Projekt B 3a in Woffleben, wo ein ganzes Stollensystem in den Berg zu treiben war, in dem auch wieder Junkers auf mindestens 80.000 qm bis zu 8.000 Arbeitskräfte mit der Serienherstellung und Montage von Großteilen beschäftigen wollte. Die meisten Bauhäftlinge aber wurden von der Heimkehle zum Bauvorhaben Lava (Deckname B 4) bei Stempeda verlegt, wo ebenfalls unterirdische Werkhallen für Junkers zu erstellen waren; ein Presswerk sollte aus Dessau dorthin verlegt werden.

Der Flugzeughersteller benannte seinen Heimkehle-Betrieb nach dem in unmittelbarer Nähe verlaufenden Harzflüsschen Thyra-Werk. Es sollte Fahrwerke und Zubehörteile – insbesondere für Flugzeugrümpfe – liefern. Mitte August 1944 lief die Produktion an, wenngleich noch nicht alle Maschinen installiert waren. Junkers lag damit im Rahmen des im April 1944 aufgestellten Zeitplans, wonach im August des Jahres 1.800 qm und im Folgemonat sämtliche vorgesehenen 3.000 qm nutzbar sein sollten. Obwohl bereits seit Monaten in Betrieb, meldete der Flugzeugbauer sein Thyra-Werk in der Heimkehle erst am 1. Februar 1945 bei der Hauptfinanzverwaltung Dessau an, allerdings rückwirkend ab Juni 1944. Zwischen dem 18. August und 22. September 1944 lieferte der ebenfalls aus Schönebeck ausgelagerte Junkers-Betrieb in Mühlhausen – Deckname Mühlenwerk AG – weitere Maschinen für die Heimkehle, darunter fünf Fräsen und acht Drehbänke.

Junkers-Maschinenpark in Produktion
Junkers-Maschinenpark in Produktion

Offenbar gab der Konzern die gesamte Sektion für Rumpfträgergurte (TM-Gurte) an das Thyra-Werk ab, mitsamt den an den Maschinen eingearbeiteten Häftlingen, denn am 25. September 1944 wurde der Zugang von 36 KZ-Arbeitern aus Mühlhausen registriert. Ebenso stellte das Junkers-Stammwerk Schönebeck angelernte, bereits in der Flugzeugproduktion tätige Häftlinge ab. Eine erste Gruppe von 61 Zwangsarbeitern traf am 31. Juli 1944 in Rottleberode ein. Drei weitere Transporte aus Schönebeck folgten; 35 KZ-Häftlingen am 25. September, 60 am 23. und 59 am 26. Oktober. Ein weiterer Transport aus Dora ließ die Zahl der in der Heimkehle im Zweischichtbetrieb arbeitenden Häftlinge auf 545 am 30. November 1944 anschwellen. Diese Lagerstärke blieb bis Ende März 1945. Zeitweise bestand die Belegschaft des Thyra-Werkes zu 80 % aus KZ-Insassen. Allein für Oktober 1944 überwies Junkers für die Tätigkeit der KZ-Insassen seines Thyra-Werkes dem KZ Buchenwald ein Entgelt von 50.060 RM.

Lageplan Junkers-Verlagerungsstätte in der Heimkehle

KZ-Unterkunft in der Porzellanfabrik Schuck

Untergebracht waren die Junkers-Produktionshäftlinge in den Gebäuden der Porzellanfabrik Schuck, zunächst zusammen mit den Bauhäftlingen des Stollenvortriebs in Stempeda. Ende 1944 erhöhte sich die Belegung dieses Außenlagers „Heinrich“ auf 900 Personen. Aber Junkers war bald nicht mehr bereit, für Unterkunft und Verpflegung der weiterhin in der ehemaligen Porzellanfabrik untergebrachten Bauhäftlinge des Arbeitskommandos B 4 aufzukommen. Der Konzern drängte, ihm diese „unproduktiven“ Arbeitskräfte abzunehmen und kam damit durch. Anfang 1945 wurden die Bauarbeiter mit KZ-Status in ein eigens für sie eingerichtetes Barackenlager in der Nähe der Baustelle B 4 in Stempeda verlegt.

Um Arbeitsausfälle durch den langen Anmarsch seiner Produktionsarbeiter vom Lager in Rottleberode zur Arbeitsstätte im Berg zu vermeiden, ließ Junkers sie mit der Bahn an und abtransportieren. Bis November 1944 rechnete die Reichsbahn die Transportkosten auf der Grundlage geschätzter Häftlingszahlen ab, das Verfahren focht Junkers jedoch an. Wie in den anderen Junkers-Werken waren die in der Flugzeugproduktion der Heimkehle eingesetzten Häftlinge für Spezialtätigkeiten angelernte Kräfte oder Facharbeiter und konnten nicht ohne nachteilige Auswirkungen auf die Qualität der Produkte ausgetauscht werden.

Ehemalige Porzellanfabrik Schuck nach dem Krieg
Ehemalige Porzellanfabrik Schuck nach dem Krieg

Deswegen wurde mit ihnen schonender umgegangen. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen waren besser als die der in Stempeda geschundenen Bauhäftlinge, wie auch der französische Häftling André Carré in seinen Erinnerungen darstellt: „Im Lager der ‚Spezialisten‘ gab es auch Opfer, aber von geringerer Bedeutung. Einige starben an Erschöpfung, an Mangel an Schlaf oder an Lungenentzündungen, als Folge der endlosen Appelle. Sehr wenige sind an Schlägen gestorben. Der Grund dafür war die Tatsache, dass wir alle qualifizierte Arbeiter waren, die schwerer zu ersetzen waren. Außerdem kamen wir nur im Lager und während des Transportes vom Lager zum Tunnel mit den SS-Leuten in Berührung. Im Kommando der Erdarbeiter Stempeda war das Leben unerträglich.

Ständig unter der Aufsicht der SS und ihrer Hunde, der Kapos war ihr Leben eine Hölle. Bei gleicher Nahrung waren sie zu wesentlich größerer körperlichen Anstrengung gezwungen als wir. Jedes Mal wenn einer von ihnen vor Erschöpfung umfiel, stürzten sich die Kapos wild auf ihn, bis er tot war. Abends sahen wir oft diese bedauernswerte Kolonne, wie sie erschöpft, vor Müdigkeit sich nur wie durch ein Wunder aufrecht haltend, ihre Toten des Tages in Zementtrögen, die auf Rädern montiert waren, in das Lager brachten. Dort wurden sie nachlässig in einen Schuppen geworfen, bis der Lastwagen von Dora sie zum Krematorium brachte“.

Ebenfalls als Fachkräfte verlegte Junkers aus Schönebeck etwa 30 Zwangsarbeiter, vor allem Belgier und Franzosen, in die Heimkehle und brachte sie im Festsaal der Gemeinde Uftrungen unter. Sie wurden in einem ehemaligen Hotel nahe der Arbeitsstätte verpflegt und konnten sich außerhalb der Arbeitszeit unbeschränkt bewegen.2562 Der Niederschrift einer am 11. November 1944 in Schönebeck geführten Besprechung der kaufmännischen Betriebsleiter der Verlagerungsbetriebe ist zu entnehmen, dass Junkers für die angemietete Gemeinschaftsunterkunft täglich mit 0,25 RM pro Bett und weiteren 0,25 RM für das Frühstück belastet wurde.

Die Hauptverwaltung verlangte, unverzüglich mit dem Vermieter eine pauschale Monatsmiete für den belegten Saal festzulegen, „in welcher Morgenkaffee und Reinigung“ enthalten sind. Als Richtsatz wurden 0,30 bis 0,40 RM pro qm genannt. Der Betrag sollte dann bei den „Gastarbeitern“ unter Anwendung des im Mutterwerk geltenden Abrechnungsverfahrens vom Lohn einbehalten werden.

Auflösung des KZ-Außenkommandos in der Heimkehle

Ende März 1945 kam die Produktion des Thyra-Werkes nahezu vollständig zum Erliegen. Am 4. April 1945 erhielt Kommandoführer Erhard Brauny vom Stammlager „Dora“ Befehl, die Arbeiten unverzüglich ganz einzustellen, die Räumung des Lagers „Heinrich“ vorzubereiten und alle Häftlinge am Folgetag zur „Evakuierung“ zum Bahnhof in Niedersachswerfen zu führen. Die SS fasste die Insassen der beiden Arbeitskommandos Stempeda und Rottleberode zusammen, an die 1.500 Personen, die dann offenbar willkürlich in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Etwa 400 Häftlinge befehligte Brauny selbst, etwa 1.100 Personen kommandierte der Lagerführer von Stempeda, SS-Unterscharführer Hermann Lamp.

Beide Kolonnen machten sich noch am Abend des 4. April 1945 auf den Weg; die kleinere gegen 21.00 Uhr, die andere um Mitternacht. Ziel beider Transporte dürfte wie für alle größeren Außenkommandos des KZ Mittelbau-Dora das Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg gewesen sein. Aber nach den verheerenden Bombenangriffen auf Nordhausen am selben Tag war die Stadt für Züge unpassierbar. Daher legten die Häftlinge die 18 Kilometer bis zum nächstgelegenen Bahnhof Niedersachswerfen über Stempeda, Buchholz und Harzungen zu Fuß zurück. Die Kolonne unter Leitung von Brauny erreichte am 5. April 1945 frühmorgens Niedersachswerfen.

Da die Evakuierung der größeren Lager „Dora“, Harzungen und Ellrich Vorrang hatte, mussten die Häftlinge stundenlang warten, bis die Reichsbahn gegen Mittag einen Zug mit offenen Güterwagen bereitstellte. Die KZ-Sklaven wurden in die Waggons gepfercht, aber der Zug fuhr nicht ab, weil Brauny auf das Eintreffen der von Lamp geführten Kolonne wartete. In der Ungewissheit begab sich Brauny mit einem geliehenen Motorrad auf die Suche nach der zweiten Marschkolonne. In Rottleberode erfuhr er, dass Lamp eine andere Marschrichtung eingeschlagen hatte.

Erst gegen Mittag des 6. April 1945 setzte sich der noch immer vollbesetzt in Niedersachswerfen wartende Güterzug in Bewegung. Er nahm als – laut SS-Jargon – „Lumpensammler“ unterwegs alle Mittelbau-Häftlinge mit, die nicht in einem der regulären Evakuierungszüge untergekommen waren. Nach zahlreichen Unterbrechungen erreichte der Transport am 9. April 1945 die Ortschaft Oebisfelde im Bördekreis in Sachsen-Anhalt, an der Landesgrenze zu Niedersachsen. Da Neuengamme überbelegt und Bergen-Belsen nicht mehr per Bahn zu erreichen war, wurde der Zug in Richtung Oranienburg umdirigiert.

Das Massaker von Gardelegen

Er kam jedoch nur bis Mieste, wenige Kilometer vor Gardelegen. Wegen Unpassierbarkeit der Bahnstrecke mussten die Häftlinge zu Fuß weitermarschieren, bevor sie gemeinsam mit anderen KZ-Evakuierten in die am östlichen Ortsrand gelegene Feldscheune des Gutes Isenschnibbe zur Nachtruhe eingesperrt wurden. Doch die SS setze die Scheune in Brand. Über 1.000 Menschen verbrannten qualvoll in dieser Nacht vom 13. zum 14. April 1945. Wären die amerikanischen Einheiten wenige Stunden früher eingetroffen, hätte das ihre Rettung bedeutet. Die größere Kolonne war in der Nacht vom 4. zum 5. April 1945 in einen Luftangriff geraten, der den vorgesehenen Weg unpassierbar gemacht hatte.

Nach einer nächtlichen Pause bei Rottleberode wurden die 1.100 Häftlinge dieses Todesmarsches ab dem 5. April zu Fuß über Stolberg und Güntersberge durch den Harz nach Quedlinburg und von dort über die Elbe nach Genthin getrieben, wo sie am 14. April anlangten, wo die SS die Häftlinge – 784 waren es noch von den 1.100 – auf Güterwaggons mit dem Ziel Oranienburg verlud. Von den Fehlenden soll etwa 50 die Flucht gelungen sein, die anderen kamen offenbar ums Leben. Gegen Mittag des 16. April erreichte der Transport das zum KL Sachsenhausen gehörende Arbeitskommando der Heinkel-Werke. Von dort trieb die SS am 21. April die noch Gehfähigen auf einen weiteren Todesmarsch, diesmal in Richtung Nordwesten. Die letzten Überlebenden des am 4. April in Rottleberode gestarteten Transportes wurden Anfang Mai 1945 von der Roten Armee in der Nähe von Schwerin befreit. Zu diesem Zeitpunkt inspizierte eine westalliierte Kontrollkommission bereits das Werk in der Heimkehle, maß ihm aber keine große Bedeutung bei.

Hermann Lamp, der den Todesmarsch bis zu seiner Ankunft in Oranienburg geleitet hatte und nach dem Krieg bei Lübeck lebte, wurde für seine Taten nach dem Krieg nicht zur Verantwortung gezogen. Seinen Vorgesetzten Erhard Brauny, der für das Lager „Heinrich“ in Rottleberode verantwortlich war, verurteilte ein US-Militärgericht 1947 im Dachauer Dora-Prozess zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Brauny starb 1950 in der Haft in Landsberg. Danach blieb für lange Zeit eine weitere juristische Aufarbeitung aus. 1984 stand in Fulda der Sinto und ehemalige Kapo Hermann Ebender unter der Anklage vor Gericht, jüdische Häftlinge aus dem Arbeitskommando Stempeda (Baustelle B 4) im Waschraum des Lagers „Heinrich“ ertränkt zu haben. Aus Mangel an Beweisen musste er freigesprochen werden.

Demontage und Sprengung der Heimkehle durch russische Truppen

Russische Einheiten demontierten den gesamten Maschinenpark und sprengten 1946 die Eingänge zur Heimkehle. 1953 wurde die Höhle wieder geöffnet, ein Jahr später, am 1. Mai 1954, für Besucher freigegeben. Die Heimkehle, heute Schauhöhle und zugleich Gedenkstätte, kann von interessierten Besuchern im Rahemn einer Führung von Dienstag bis Sonntag regelmäßig besichtigt werden. In der Höhle befindet sich im kleinen Dom eine Gedenkstätte als Erinnerung an das dortige KZ-Außenkommando der Junkers-Werke. Außerdem gibt es auf dem Außengelände eine Ausstellung über den Mißbrauch der Heimkehle in den Jahren 1944/45.

Autor: Frank Baranowski
Bildquelle: Frank Baranowski, Thilo Ziegler

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